Malewitschs Ohrfeige dem modernen Geschmack – Russische Kunst zwischen 1861 und 1921
Stimmt die in Westeuropa entstandene Erzählung von der russischen Kunst als einer von Westeuropa ausgehenden auch Russland erfassenden modernen Entwicklung? Oder ist sie eher aus einer Auflehnung gegen das Hegemoniestreben der Moderne entstanden? Vieles spricht dafür, dass sie tatsächlich einer Kritik des Rationalismus, Universalismus, Atheismus und der Auffassung der Geschichte als Fortschritt folgte, wie sie der heute vergessene russische Denker Vladimir Solovjev vertrat, der bereits vor mehr als 100 Jahren vor den Gefahren eines kulturellen Kolonialismus durch die Moderne warnte. Und dass sie ihre Energie aus der Aufwertung der eigenen, auf dem Lande lebendigen prämodernen Überlieferungen wie der Ikone schöpfte.
Copyright: Vadim Zakharov
Noemi Smolik wuchs in Prag auf, studierte Kunstgeschichte, Geschichte und Philosophie in Köln und New York. Sie unterrichtete an den Kunsthochschulen Hamburg und Dresden und führte Workshops zur Kunstkritik an den Universitäten Köln, Bonn, Düsseldorf und Münster durch. Ihre Beiträge zur russischen und zeitgenössischen Kunst erscheinen in der FAZ/Frankfurt, in artforum/New York, frieze/London, e-flux/New York und im Kunstforum/Köln. 2020 erhielt sie den Art Cologne Preis für Kunstkritik. Sie ist Mitbegründerin der Plattform Hope Recycling Station in Prag/Berlin, die den Fragen des Rassismus, Kolonialismus und Postkolonialismus in den postsozialistischen Ländern nachgeht. Ihr letztes Buch Malewitschs Ohrfeige dem modernen Geschmack, ein Versuch, die Erzählung über die russische Kunst zwischen 1861 und 1921/22 zu dekolonialisieren, ist gerade im Matthes&Seitz Verlag erschienen. Sie lebt in Berlin und Prag.